Ein Rückblick auf die Vorträge des Baugenossen Jürgen Hochschild über die dunkelste Periode der deutschen Geschichte im Zusammenhang mit der "Freien Scholle".
Mitte Oktober 2018 lud die "Freie Scholle" Ihre Mitglieder zu zwei Vorträgen ihres langjährigen Vorstandsmitgliedes Jürgen Hochschild in den großen Saal des Restaurants "Schollenkrug" ein. Da sich zu den Vorträgen von Jürgen Hochschild erwartungsgemäß sehr viele Schollaner anmelden wollten, musste umgehend ein zweiter Temin gebucht werden, so dass der Schollenkrug schließlich sogar an zwei Tagen vollständig gefüllt wurde.
Falls jemand gedacht hatte, dass diese Themen heute niemanden mehr interessieren würden, da diese Ereignisse ja schon rund 80 Jahre zurück liegen, wurde er an den beiden Abenden eines besseren belehrt. Unter den jeweils 80 Besuchern waren auch überraschend viele junge Menschen.
Im ersten Vortrag berichtete Jürgen Hochschild über die drei in Vergessenheit geratenen Zwangs- und Fremdarbeiterlager, die sich direkt neben der Siedlung "Freie Scholle" am Waidmannsluster Damm befanden. Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sollten die zum Kriegsdienst eingezogenen deutschen Arbeiter ersetzen und als billige Arbeitskraft die Kriegsproduktion aufrechterhalten. Die Vernichtung dieser Menschen wurde dabei billigend in Kauf genommen. Die drei sogenannten Steinberg-Lager befanden sich am Waidmannsluster Damm 81 – 105 (das Baugelände der "Freien Scholle" und der Platz des Hundevereins), im Erholungsweg vom Park bis zum heutigen Sandgrasweg auf der Seite der Industriebahn und im Osianderweg vom Kampweg bis zum Moorweg auf der Seite des Allmendeweges.
Aufgestellt waren eingeschossige sogenannte "Reichsarbeitsdienst-Baracken", in denen Hunderte Zwangs- und Fremdarbeiter eingepfercht lebten. Über das Leben in den Lagern selbst ist kaum etwas bekannt. Jürgen Hochschild konnte jedoch zwei Schollaner interviewen, die sehr Interessante Details zu berichten hatten. Die Kontakte der Schollaner zu den Fremden waren ansonsten sehr spärlich oder wurden nicht bekannt, da diese Kontakte verboten und unter Strafe gestellt waren.
Der zweite Vortrag war dem Widerstand von 1933 bis 1945 am Beispiel der "Freien Scholle" gewidmet. Jürgen Hochschild konnte die Kreativität, die Kampfbereitschaft und die Leidensfähigkeit vieler Genossenschaftsmitglieder aufzeigen und seinen Vortrag durch viele Bilder und Briefe für alle Zuhörer spannend gestalten. Aber am Bewegensten waren natürlich die Aussagen der Schollaner, die in viele Interviews zusammengetragen wurden. Die Baugenossen Franz Neumann und Walter Höppner standen im Mittelpunkt der Betrachtung.
Die Vorträge gingen vielen Besuchern sehr nahe, da in den Berichten Schollaner genannt wurden, die einen großen Teil der älteren Anwesenden noch persönlich bekannt waren. Es ging schließlich um Nachbarn. Manche Zuhörer kämpften mit den Tränen, als sie davon hörten, dass die Nazis mehrere Nachbarn zu Verhören abtransportiert haben und es teilweise sehr hohe Zuchthausstrafen gab.
Nach etwas mehr als 1,5 Stunden waren die Vorträge beendet. Anschließend gab es jeweils noch kurze Wortbeiträge der Anwesenden, die interessante Ergänzungen beizutragen hatten sowie Nachfragen an den Referenten. Jürgen Hochschild wollte in den vielen Beispielen für vorbildliche Zivilcourage in der "Freien Scholle" – gerade in der heutigen Zeit – aufrütteln und Erinnerungen wachhalten. Mit diesen beiden Vorträgen ist ihm das sicher gelungen.
Wir danken Jürgen Hochschild für seine Bereitschaft, diese historischen Themen für alle Schollaner vorzutragen und freuen uns bereits heute auf seinen nächsten Vortrag.