Gedenken an Franz Neumann

Am 9. Oktober 2014 jährte sich der Todestag von Franz Neumann zum 40. Mal. Franz Neumann war nicht nur ein großer Berliner, sondern auch ein großer Schollaner. Er lebte und wirkte bis zu seinem Tode 1974 im Moorweg 10 in der Siedlung Tegel.

Franz Neumann organisierte den aktiven Widerstand gegen das Naziregime in der „Freien Scholle“ und Reinickendorf und er beteiligte sich nach dem 2. Weltkrieg auch sehr aktiv am Wiederaufbau der „Freien Scholle“.

Am 14. August 2004 wäre Franz Neumann 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass fand am 16. August 2004 im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Gedenkveranstaltung statt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hielt an diesem Tag die Gedenkrede, aus der wir einige Passagen zitieren wollen:

„Gebt dem freiheitlichen Berlin die Verschwundenen wieder! – Eine Forderung des großen Berliner Sozialdemokraten Franz Neumann. Und daraus wurde sein Vermächtnis, das das wiedervereinigte Berlin erfüllt hat. Die ‚Verschwundenen’, das waren in der ersten Nachkriegszeit jene Berlinerinnen und Berliner, die oft von heute auf morgen verschwanden, weil sie Demokraten waren und öffentlich demokratische Grundfreiheiten einforderten. Dafür wurden sie unter anderem in den Lagern des KGB interniert, viele von ihnen fanden den Tod. Die ‚Verschwundenen’ besaßen in Franz Neumann einen engagierten Anwalt. Er ließ nicht locker, prangerte öffentlich ihr Schicksal an und wurde zum Sprachrohr gegen Diktatur und Verfolgung.

Für Franz Neumann war die Geschichte nach 1945 nicht einfach stehen geblieben. Dazu hatte er selbst zuviel erlebt. Franz Neumann war durch und durch Sozialdemokrat: Arbeiterkind aus Friedrichshain, Schlosserlehre, Metallarbeiterverband, mit 16 in die SPD. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, da wurde Franz Neumann wie viele Sozialdemokraten verhaftet, gefoltert, ins KZ gesperrt. Franz Neumann war in jener Zeit selbst eine Art ‚Verschwundener’. Aber er wusste, dass man gegen Terror und Unter-drückung kämpfen muss und dass man diesen Kampf nie aufgeben darf. Franz Neumann hat klassische sozialdemokratische Werte vorgelebt: Solidarität und Freiheit. Das war in der Nazi-Zeit so. Und davon ist er auch danach keinen Zoll abgewichen. Im DenkOrt Hohenschönhausen fanden die sterblichen Überreste der Opfer aus einem der Berliner Speziallager des KGB ihre letzte Ruhe – darunter wohl auch manche ‚Verschwundene’. Ihrer zu gedenken, entspricht dem Vermächtnis Franz Neumanns.

Wir haben uns heute im Abgeordnetenhaus von Berlin zusammengefunden, um mit Franz Neumann eines Berliner Ehrenbürgers zu gedenken, dessen Leben und Wirken ganz im Dienst seiner Heimatstadt Berlin gestanden hat. Wir würdigen eine Persönlichkeit, die in der schweren Nachkriegszeit die Geschicke Berlins maßgeblich mitgestaltet hat. Franz Neumann gehörte zu jenen, die unmittelbar nach dem Krieg die Freiheit und die Eigenständigkeit der Berliner SPD sicherten. Er kämpfte gegen den Zusammenschluss mit der KPD und stand damit an der Seite Kurt Schumachers. Das waren dramatische Wochen damals. Die Spaltung der Arbeiterbewegung zu überwinden, in der viele Genossen eine Ursache für die Machtübertragung an die Nationalsozialisten sahen, war eine weit verbreitete Sehnsucht. Ihr eisern zu widerstehen, die Gefahren eines Zusammenschlusses klar zu erkennen: Das war das Verdienst jener Männer und Frauen, die wie Franz Neumann mit beiden Beinen auf dem Boden der Partei standen und sich den Blick für die Realitäten bewahrt hatten. Unvergesslich ist die Funktionärskonferenz im Admiralspalast, in der Franz Neumann mit großer Klarheit und Leidenschaft die Mehrheit im Saal für eine Urabstimmung gewinnen konnte. Während draußen sowjetische Truppen das Gebäude umstellt hatten. Den Zusammenschluss von SPD und KPD in den Westsektoren verhindert zu haben, das war vielleicht sein größter Sieg. Franz Neumann ist es wesentlich zu verdanken, dass die SPD in den drei Westzonen am Leben blieb.

Als Landesvorsitzender der Berliner SPD prägte er dann entscheidend die Entwicklung unserer Stadt mit. Das Einganszitat weist auf einen ganz wesentlichen Charakterzug Franz Neumanns hin: Er lebte und arbeitete im wahrsten Sinne des Wortes für die Menschen. Der Mensch, sein Schicksal, sein Wohlergehen waren wesentliche Triebfedern seines Wirkens. Das hat ihn nicht vor mancher Niederlage bewahrt. Aber zugleich hat sich Franz Neumann eine Unbeirrbarkeit und Energie bewahrt. Allein im Deutschen Bundestag hat er zwei Jahrzehnte lang von 1949 bis 1969 für die Interessen Berlins gewirkt. Weit länger noch war er mit der Arbeiterwohlfahrt verbunden. 1946 gehörte er zu den Mitbegründern der AWO in Berlin und 1970 wurde er zum AWO-Vorsitzenden gewählt. Heute vor zwei Tagen wäre Franz Neumann hundert Jahre alt geworden. Wir gedenken eines großen Berliners.“


Die Stadt Berlin ernannte Franz Neumann am 20.10.1971 zu seinem Ehrenbürger. Die Schollaner werden ihren Franz Neumann nicht vergessen.